Vom Vater, dem Scharfrichter, zum Urenkel, dem Kunstmaler.
Das Museum besitzt nunmehr Werke von Josef und Ludwig Vollmar.
Situation der Scharfrichter in Vorderösterreich
Die Scharfrichter des vorderösterreichischen Donaustädtchens Riedlingens trugen seit Jahrhunderten den Namen Vollmar. Den Nachkommen von Scharfrichtern blieb auf Grund der Bestimmungen nichts anderes übrig, als eine Scharfrichtertochter oder einen Scharfrichtersohn zu ehelichen. Kaiser Karl VI. (1711-1740), erließ am 14. August 1731 Folgendes: „Die Unehrlichkeit bei den Nachkommen des Schinders erlischt in der dritten Generation. Diese und alle ferneren sollen zu allen und jeden ehrlichen Handwerkern und Erwerbsarten zugelassen werden. Hat sich aber schon die erste Generation 30 Jahre lang in ehrlicher Profession bewährt, so kann schon die zweite in die obigen Rechte eintreten.“ Kaiserin Maria Theresia gab 1755 und 1772 Dekrete heraus, in denen die „Unehrlichkeit“ für Vertreter genannter Berufsgruppen nur für die Dauer der Amtsausübung Gültigkeit hatte, die Familienmitglieder wurden generell für „ehrlich“ erklärt und der Zugang zum Handwerk und die Heirat außerhalb der Scharfrichterfamilien allen ermöglicht.
Johann Friedrich Vollmar (1718 – 1804), Scharfrichter in Will (St. Gallen) und Riedlingen
Weil sein Vater gleichen Namens die Ballei Riedlingen nicht freigab, musste der Sohn als Scharfrichter in andere Dienste treten. Dies war das Kloster St. Gallen, der Wohnsitz war Wil. Dort kam der spätere Bildhauer Johann Friedrich 1751 zur Welt.
Johann Friedrich Vollmar (1751-1818), Bildhauer, Maler, Architekt und Stuckateur
Der spätere Bildhauer, Maler, Architekt und Stuckateur Johann Friedrich Vollmar lebte und wirkte in Riedlingen, wo ihm das Bürgerrecht erteilt wurde, wechselte dann in die vorderösterreichischen Waldstädte Laufenburg und dann Säckingen. Er entwickelte sich zum gefragten, „berühmten Bildhauer aus Riedlingen“. Zahlreiche Werke seiner Kunst, seien es Altäre, Kanzeln, Reliefarbeiten, Fresken und Stuck zeugen bis heute von seiner künstlerischen Vielfalt. Vor allem in Wurmlingen (TUT), Stühlingen und Waldshut schuf er Gesamtkunstwerke in den dortigen Kirchen, die bis heute den stilgeschichtlichen Wandel vom Rokoko zum Frühklassizismus nachvollziehen lassen.
Er starb 1818 in Säckingen. Aus zwei Ehen hatte Vollmar 15 Kinder, die in drei verschiedenen Städten zur Welt kamen und von denen lediglich vier im Erwachsenenalter nachgewiesen werden können.
Joseph Vollmar (1801-1870), Bürger, Maler und Zeichnungslehrer
In Vollmars Sohn Joseph setzte sich die Künstlertradition der Vollmar am Hochrhein fort. Vermutlich lernte er zunächst bei seinem Vater. „Dem Joseph Vollmar aus Säckingen im Großherzogtum Baden wird hiemit [1824] auf Verlangen in Wahrheit bezeugt, daß er sich mehrere Jahre bei seinem Onkel Bernhard Vollmar [in Riedlingen], Bildhauer, aufgehalten, um sich sowohl in dieser Kunst als in der Malerei zu perfektionieren; daß er eben deshalb durch drei Jahre die K.[önigliche] Akademie in München besucht und sich während der Zeit seines Hierseins immer sehr eingezogen, anständig und lobenswürdig betragen habe.
Josef Vollmar kehrte wohl 1828 nach Säckingen zurück. Er war dreimal verheiratet und hatte insgesamt zehn Kinder aus den beiden ersten Ehen. Neben seinem Beruf als Maler, Bildhauer, Altarbauer und Kupferstecher übte er auch zeitweilig den eines Stadtbaumeisters aus. Zudem war er der erste Zeichenlehrer an der 1863 gegründeten Bürgerschule Säckingens. Er starb am 8. Oktober 1870 in Säckingen.
Nach der Wende 1989/1990 kam das Bild „Elegie“ mit den Türmen des Säckinger Fridolinmünsters im Hintergrund aus Prag in den Kunsthandel, wo es vom Altertumsverein 1851 e.V. erworben wurde. Josef Vollmar 1833.
Ludwig Vollmar (1842-1884), Maler in München
Von den zehn in Säckingen getauften Kindern Joseph Vollmars erreichten nur vier das Erwachsenenalter. Der Erstgeborene Josef Friedrich, mit den Rufnamen des Großvaters und Vaters ausgestattet, wurde ebenfalls Maler und Bildhauer, starb aber bereits mit 18 Jahren. Die anderen Söhne, der am 31.September 1831 geborene Viktor Vollmar wurde Maler und Bildhauer in Basel. Sein jüngerer Halbbruder, der am 7. Januar 1842 geborene Ludwig Vollmar wurde ebenfalls ein angesehener Maler und lebte in München, wo er, wie sein Vater an der Münchner Akademie studiert hatte. Mit Vorliebe malte er Szenen aus dem Schwarzwälder und oberbayerischen Volksleben. Ludwig Vollmar starb 1.März 1884 in München.
Um der Verbindung Säckingen – Riedlingen über die Künstlerfamilien Vollmar gerecht zu werden, hat sich der Altertumsverein 1851 e.V. Riedlingen an der Beschaffung einer Gedenktafel für das Familiengrab Vollmar auf dem historischen städtischen Friedhof Bad Säckingen beteiligt.
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