Jahresgaben

2009: Hedwig Bilgram am Hammerflügel von Conrad Graf

Besucher unserer Galeriekonzerte und auch der Homepage konnten im Jahre 2009 erneut miterleben, wie der Conrad-Graf-Hammerflügel in der Galerie zum Heiligen Geist namhafte Künstler begeistert. Mit ihm ein Konzert zu gestalten, „beflügelt“ die Künstler und die Zuhörer gleichermaßen. Der Raum der Galerie und die Tatsache, dass der Schöpfer dieses seltenen Instruments in unserer Stadt geboren wurde und aufwuchs, schaffen zudem eine Atmosphäre besonderer Art vor allem für Bürger unserer Stadt, die die Spuren der Vergangenheit noch intensiv erahnen und schätzen können.

Für den Altertumsverein und die Museumsmannschaft unter Leitung von Winfried Aßfalg war es deshalb ein besonderes Erlebnis, mit der international bekannten Künstlerin Frau Prof. Hedwig Bilgram im Jahr 2009 ein Konzert veranstalten zu können, das auch bei der Künstlerin Begeisterung für das Graf’sche Instrument hervorrief mit der Folge, dass sie bereit war, mit diesem Instrument später sogar eine CD einzuspielen.

Diese liegt nun vor – gerade rechtzeitig vor Weihnachten.
Beim Altertumsverein wiederum ist es Brauch, seine Mitglieder für die Treue ihrer Mitgliedschaft und für ihr Engagement für den Verein und das Museum mit einer Jahresgabe zu Weihnachten zu beschenken. Was konnte nun schöneres geschehen, als diese CD als ganz exklusive Jahresgabe 2009 an die Mitglieder zu verschenken. Denn: in den Handel gelangte die CD nicht.

Das Konzertprogramm der CD:

Ludwig van Beethoven (1770-1827): Sonate G-dur op. 49, Nr. 2 (1795/1796)

  • Allegro, ma non troppo
  • Tempo di Menuetto

Robert Schumann (1810-1856): Waldszenen op. 82 (1848/1849)

  • Eintritt
  • Jäger auf der Lauer
  • Einsame Blumen
  • Verrufene Stelle
  • Freundliche Landschaft
  • Herberge
  • Vogel als Prophet
  • Jagdlied
  • Abschied

Clara Schumann (1819-1896): Romanze op. 11 (1838/1839)

  • Andante

Frédéric Chopin (1810-1849): Nocturne op. 37 (1838/1839)

  • Andante sostenuto

Franz Schubert (1797-1828): Andante B-dur op.post. 142 D 935 (1827)

  • Thema mit Variationen

Die Künstlerin Hedwig Bilgram

Prof. Hedwig Bilgram

Die aus Memmingen in Bayern stammende, international bekannte Organistin und Cembalistin Hedwig Bilgram erhielt schon früh Klavierunterricht bei Thilde Kraushaar, einer Meisterschülerin August Schmidt – Lindners. Später setzte sie ihre Studien an der Hochschule für Musik in München fort und studierte Klavier bei Friedrich Wührer und Orgel bei Karl Richter. Bereits 1956 erhielt sie im Fach Orgel den ersten Preis beim Wettbewerb der deutschen Hochschulen und 1959 den ersten Preis für Orgel beim internationalen Wettbewerb der Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland in München.

1984 wurde sie Strigel – Preisträgerin ihrer Heimatstadt.

Als Orgel- und Cembalosolistin konzertierte Hedwig Bilgram mit vielen bedeutenden Dirigenten, u.a. mit Rudolf Kempe, Leonhard Bernstein und Herbert von Karajan.

Unter Karl Richter spielte sie jahrelang Orgel und Cembalo bei dessen Aufführungen und Schallplatteneinspielungen der Oratorien, Kantaten und der Gesamtaufnahme der Konzerte für mehrere Cembali von J. S. Bach.

An der Hochschule für Musik in München unterrichtete Hedwig Bilgram von 1961 bis 1998 das Fach Orgel, ab 1964 auch Cembalo als ordentliche Professorin. Eine überaus reiche Konzerttätigkeit, solistisch und kammermusikalisch, führte Hedwig Bilgram durch viele Länder Europas, durch die USA und Kanada, Japan und Russland. Fünfunddreißig Jahre bestand eine enge künstlerische Zusammenarbeit im Duo Trompete – Orgel mit Maurice André.

Zahlreiche CD- und Schallplatteneinspielungen dokumentieren ihre kunstvoll-virtuose Beherrschung historischer Tasteninstrumente. In jüngster Zeit hat sie sich dem Hammerflügel zugewandt und eine CD mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Franz Schubert aufgenommen.

Conrad Graf (geboren 17.11.1782 in Riedlingen, gestorben 18.3.1851 in Wien)

Conrad Graf

„Die ausgezeichneten Eigenschaften der Graf’schen Klaviere haben die Aufmerksamkeit der ganzen musikalischen Welt auf sich gezogen, daß die Instrumente nicht nur einen starken Absatz im Inlande, sondern auch in allen Theilen der kultivierten Welt finden. Wird in dieser Beziehung unter die gelungensten Leistungen der Klaviermacherkunst gezählt. In alle Appartements der Kaiserl. Hofburg, und in jene der allerhöchsten Regentenfamilie hat er Exemplare seiner Fabrikatur geliefert.“

Trotz dieser Feststellung anlässlich der Gewerbeausstellung 1835 in Wien war Graf lange Zeit in seiner Heimatstadt Riedlingen vergessen, bis 2001 anlässlich des 150. Todestages der Altertumsverein 1851 e.V. ein Konzert auf einem Originalinstrument in der Taufkirche St. Georg organisierte. Da kam auch der Wunsch auf, einen „Graf“ in Riedlingen stehen zu haben. 2005 konnte die Stiftung „Gemeinsam für eine bessere Zukunft“ der Kreissparkasse Biberach, einen sehr gut erhaltenen Flügel aus dem Jahre 1824 erwerben und diesen anlässlich des 750jährigen Stadtjubiläums den Riedlingern übergeben.

Das Geschlecht der Graf in Riedlingen:

Vater, Großvater und Urgroßvater des Conrad Graf übten in Riedlingen das Handwerk der Rotgerber aus. Sein Vater Johann Georg heiratete in zweiter Ehe mit 54 Jahren die 31jährige Ursula Ummenhofer. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Conrad, der spätere Klavierbauer, und Joseph Anton, der als Säugling starb.

Die Riedlinger Zeit des Conrad Graf (1782 – ca. 1798):

Riedlingen 1716

Nach beendeter Normal-Schulzeit (sieben Jahre) wurden die Söhne bei einem der bürgerlichen Handwerksmeister in die Lehre gegeben. Conrad Graf wurde Schreiner. Er dürfte frühestens 1795 mit der Lehre begonnen haben, die drei Jahre dauerte. Sein Meister Anton Sutter stammte aus Vorarlberg. Er hatte eine Werkstatt im Gebäude der heutigen Apothekergasse 4. Sutter war am damals erfolgten Umbau der Pfarrkirche St. Georg und deren Orgel beteiligt. „Das Klavirr Kestle gemacht, die wiendrohr greser gemacht, 16 Registrstangen Mid 10 Schuh [ca 3,30 m], 24 doblede strackhdurrn gemacht“ [„Den Klaviaturkasten gemacht, die Windrohre größer gemacht, 16 Registerstangen mit 10 Schuh, 24 doppelte Trakturen gemacht] heißt es unter anderem in seiner Rechnung 1798. Hier nennt der Meister wiederholt „den Lehrjungen“, bei dem es sich nur um Conrad Graf handeln kann. Vielleicht war dies die erste Begegnung Grafs mit einem Tasteninstrument und wurde hier das Interesse für den Instrumentenbau geweckt. Seine Lehrzeit kann nach örtlichen Gegebenheiten frühestens 1798/1799 beendet gewesen sein.

Grafs Weggang von Riedlingen:

Es gibt keinen exakten Hinweis darauf, wann Conrad Graf seine Vaterstadt verlassen hat. „In der Frembte“ lautet eine Marginalie im Familienregister. Wegen der Koalitionskriege gab es Militär zuhauf (Riedlingen war bis 1805 habsburgisch, dann württembergisch), zunehmende Armut, hohe Steuern, das alles konnte der junge Graf hautnah in der eigenen Familie miterleben. Zudem war der Vater 1793 gestorben. Graf sah seine Zukunft wohl in der Fremde. Und da war Wien, damals noch die Hauptstadt, eine gute Adresse wegen vieler Bekannter.

Ankunft in Wien:

Einem Bericht zufolge kam Graf im Jahre 1798 dort an und trat 1800 in das damals errichtete Freikorps ein. Danach suchte er sein „ferneres Fortkommen bei dem in Währing bei Wien wohnenden Klaviermacher J. Schelkle.“

Jakob Schelkle stammte aus Aderzhofen, einem kleinen Dorf bei Riedlingen, das dem hiesigen Spital gehörte. Der Bruder Anton Schelkle war Grafs Nachbar in Riedlingen und ebenfalls Schreiner. So kann man sich die Verbindung und das Zusammentreffen in Wien erklären.

1801 wird in einem Schreiben an den Magistrat der Stadt Riedlingen bestätigt: „Dem Konrad Graf, Schreinergesell in Wien, welcher bei Kriegsumständen unter die Freiwilligen daselbst gestoßen worden, während seiner Dienstzeit aber größtenteils von Kleidung gekommen, werden zur Beischaffung der nötigen Kleiderstücke auf das Zeugnis des Instrumentenmachers Jakob Schälckis [Schelkle] zu Wien 24fl bewilligt.“

Siegel des Jakob Schelkle – Unterschrift Graf 1803

Einen Brief nach Riedlingen versieht Graf 1803 mit einem Siegel, das die Initialen J S und zwei stehende Löwen führt. Es kann sich nur um das Siegel seines Lehrmeisters J[akob] S[chelkle] handeln, der bereits am 11.11.1802 gestorben war. Graf kam also nicht erst durch die Heirat der Witwe Carolina (geborene Rathgeb aus Gunzenhausen) 1804 in das Geschäft seines Vorgängers Schelkle, sondern führte dieses seit dessen Tod weiter.

Aus erster Ehe stammte die 1802 geborene Tochter Carolina, 1806 wurde seine leibliche Tochter und einziges Kind, Juliana, getauft. Seine Ehefrau starb am 7. April 1814.

Die große Zeit des Conrad Graf in Wien:

Mit der Geschäftsübernahme 1804 begann der steile Aufstieg des gebürtigen Riedlingers Conrad Graf und seiner Hammerflügelproduktion. Bereits 1810 wurde Graf erlaubt, als „Landklavierbauer“ seine Instrumente in der Stadt zu verkaufen. Es dauerte schließlich bis 1822, ehe er als Bürger der Stadt Wien aufgenommen wurde. Die Vergabe des Bürgerrechts ist dennoch erstaunlich, da zwischen 1815 und 1833 in Wien insgesamt 572 Instrumentenbauer bekannt waren. Üblicherweise erhielt ein männlicher Antragsteller nur das Bürgerrecht, wenn er den Ansässigen gleichen Berufszweiges in deren Erwerb nicht schaden konnte. Angesichts der Tatsache, dass Grafs Arbeit die „Reputation Österreichs Industrie fördert“ und dass seine Instrumente nicht nur in Österreich, Bayern, Frankreich, England, Holland und Rußland bekannt und geschätzt werden, ja dass sogar der Kaiser und die Kaiserin, Erzherzog Franz und Erzherzogin Maria Luise diese Instrumente benutzen und bewundern und daß „in alle Appartements der Kaiserl. Hofburg und in jene der allerhöchsten Regentenfamilie Exemplare seiner Fabrikatur geliefert“ wurden, brachte ihm 1824 den Ehrentitel eines „k.[aiserlich] k.[öniglichen] Hof – Pianoforte und Klaviermacher“ ein.

CONR. GRAF OPUS 819 – Brand-Signatur im Riedlinger Flügel

Vor derart erfolgreichem Hintergrund kann Graf bereits 1825 ein großes Anwesen direkt bei der Karlskirche für 42000 Gulden erwerben. Diese „Insel der ungebundensten Ländlichkeit mitten in Wien“, wie Grafs neues Anwesen beschrieben wurde, verfügte über den drittgrößten Ballsaal der Stadt (übertroffen nur vom Apollo und dem großen Redoutensaal) und ein Gasthaus „zum goldenen Mondschein“. Das „ondscheinhaus“ war Wohnung und Treffpunkt bedeutender Persönlichkeiten: Carl Czerny lebte 1837 hier und Joseph Danhauser (1805-1845), ein Portrait- und Genremaler, hatte sein Atelier in Grafs Haus. Beethoven schickte in dieses Haus 1826 eine Einladung an Conrad Graf, ihn zu besuchen. Vielleicht einer der Höhepunkte im Mondscheinhaus war es, als Franz Liszt am 12. April 1838 „in Anwesenheit von Clara Wieck, Carl Czerny und anderen Künstlern in Grafs Atelier“ einige seiner Kompositionen spielte, worüber die „Neue Zeitschrift für Musik“ berichtet: „In der That – er erschüttert unsere innerste Natur.“ Bei der 1. Österreichischen Industrieausstellung in Wien 1835 erhielt Conrad Graf für Klavierbau eine Goldmedaille zugesprochen, die höchste Auszeichnung jener Zeit. Das Interesse an Graf-Klavieren seitens der bedeutendsten Komponisten und Interpreten der Zeit war enorm. Beethoven, Clara und Robert Schumann, Liszt und Chopin sind „Kunden“ von Graf. 1839 hat Graf Clara Schumann einen Flügel als „verehrtes Souvenier“ überlassen, den später Brahms besaß. Das Instrument gehört heute der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Über ein Konzert des Friedrich Kalkbrenner (1785-1849) im Wiener Redoutensaal urteilt die „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“ 1824: „Das Instrument, worauf Herr Kalkbrenner seine Tonstücke vortrug, ganz vorzüglich in Klang, Gleichheit und Stärke des Tons, ist aus der Officin des als ausgezeichneten Meisters allgemein geschätzten Herrn Conrad Graf.“

„Liszts Konzerte müssen Grafs Klaviere noch berühmter machen“

Zwischen 1838 und 1840 weilte Liszt in Wien, wo er vielumjubelte Konzerte gab. Die „Allgemeine Theaterzeitung“ schreibt hierzu 1838: „Der Bravour-Walzer und die große Etude schienen ihrer Erfindung nach Alles zusammenfassen zu wollen, was sich nur schwieriges für das Instrument ersinnen läßt und eröffneten somit ein weites Feld zur Darlegung der ungeheursten Bravour. Liszt spielte seine drei Compositionen auf Graf’schen Instrumenten, welche sich dem Tone und der Stimmung nach sehr ehrenvoll neben dem Pariser [Erard] behaupteten. Das Abspringen der Saiten bei einem so markirten und energischen Vortrage kann wohl umsoweniger den Instrumenten zur Last gelegt werden, als schon das vorhandenseyn von drei Clavieren die größere Wahrscheinlichkeit eines solchen Falls vorauszusetzen schien. Übrigens wurde auch Liszt dadurch nicht im Mindesten in Verlegenheit gebracht, er brach das letzte Stück an passender Stelle ab, und begann es dann noch einmal auf einem neuen Instrumente.“ Anläßlich eines weiteren Konzertes wird berichtet, daß Liszt „auf denselben zwei Graf’schen Instrumenten“ wie zuvor gespielt habe. „Diesmal hielten auch die Saiten.“ „Zu erwähnen wäre noch, daß Liszt in allen seinen Concerten auf einem und demselben, ganz vortrefflichen Instrumente des Hrn. Graf spielte“, obwohl auch andere zur Verfügung gestanden hätten. „Liszts Concerte müssen sie aber nun noch berühmter machen.“

Chopin: „Ich gehe jeden Tag zu Graf, um zu spielen…“

Während seiner Gastspiele 1829-1830 in Wien spielte Frederic Chopin mit Vorliebe auf Graf-Klavieren. Er berichtet in Briefen, dass ihm Wiener Klavierbauer, auch Graf, ihre Instrumente leihen wollten, er sich aber für Graf entschieden habe. In einem weiteren Brief schreibt Chopin, er habe auf einem hervorragenden Instrument von Graf, vielleicht das beste in Wien, gespielt. Er weist darauf hin, daß die nuancenreiche Spielmöglichkeit auf Graf-Klavieren vielen als zu schwach im Ton vorkomme. Das aber sei seine Art zu spielen, die die Damen erfreue. Am 1. Dezember 1830 schreibt Chopin, er gehe nach dem Essen jeden Tag zu Graf, um zu spielen.

Conrad Graf besucht Riedlingen:

1837 besuchte Graf auf der ersten von drei Auslandsreisen seine Geburtsstadt Riedlingen. Darüber gibt es einen zeitgenössischen Bericht des späteren Altertumsvereinsvorsitzenden Conrad Setz:

„Am 7. März kamm der von hier gebürtige Conrad Graf von Wien auf seiner Reiße nach Paris hier durch in einem herrlichen 3 spännigen Reißewagen und wie staunten Jene, die ihn vor Jahren in dürftigen Kleidern als Handwerkspurschen fortwandern sehen; Er hatte nemmlich das Glück, in Wien als Schreinergesell eine Wittwe eines Instrumentenmachers zu heurathen, die ihn in den Besitz eines Vermögens von circa 700000 Gulden brachte. Dabei vergaß er aber nicht seine frühere Armuth und seine dürftigen Verwandten, sondern unterstützte solche auf jegliche Weiße, was ihm auch die Achtung der ganzen hiesigen Bürgerschaft zuführt. Vor seiner Abfahrt beschenkte er noch alle Armen, die ihn scharenweise besuchten. Gott segne den Edlen.“

1840 gab Graf seine Klavierherstellung auf und verkaufte die Fabrik 1841 an Carl Stein aus Wien. Sehr wahrscheinlich zwang ihn seine Lungenlähmung zu diesem Schritt. In großer Anhänglichkeit zu seiner Riedlinger Verwandtschaft (zwei Nichten beschäftigte er in seinem Wiener Haushalt) bedachte er diese im Testament mit viel Geld. Conrad Graf hatte es zu großem Reichtum gebracht. Er starb am 18. März 1851 in Wien. Geblieben sind etwa 70 Instrumente. Er soll an die 5000 gebaut haben. Ein hervorragend erhaltenes Instrument aus dem Jahre 1824, sein Opus 819, steht im Kapellenraum des Spitals zum Hl. Geist (heute Städtische Galerie), seiner Geburtsstadt Riedlingen.

Winfried Aßfalg, Riedlingen

Hammerflügel Opus 819 in der Städt. Galerie Riedlingen

Conrad Grafs Bedeutung für den Klavierbau der Beethoven-Zeit

Zu den meistbestaunten Ausstellungsstücken im Bonner Beethoven-Haus gehört ein Hammerflügel. Auf seiner Dämpferleiste steht der Name eines seiner Vorbesitzer, kein geringerer als Beethoven, auf dem Firmenschild oberhalb der Klaviatur der Name seines Erbauers: „Conrad Graf Kaiserlich Königlicher Hof-Fortepianomacher in Wien“. Es hatte gute Gründe, dass Beethoven gerade ein Instrument von Graf besaß. Dieser gehörte zu der Handvoll führender Klavierbauer in Wien. Um 1810 gab es dort mehr als 150 selbständige Klavierbauwerkstätten. Der Klavierbau war damals so innovativ wie heute die Computertechnologie. Das Klavier hatte sich im Laufe der zurückliegenden 50 Jahre in der Orchester- und Kammermusik vom Generalbaßinstrument mit reiner Begleit- bzw. Stützfunktion zum dominanten Instrument bei kammermusikalischen Besetzungen und zum Soloinstrument mit großem Repertoire emanzipiert.

Dies setzte Innovationen im Instrumentenbau voraus bzw. zog diese nach sich. Graf steht für hohe handwerkliche Qualität wie auch für große Geschäftstüchtigkeit – sowohl was die Produktion selbst als auch deren europaweite Vermarktung anlangt. Andererseits war er stets neugierig, studierte etwa die Vorzüge französischer und englischer Klaviere. Seine zwischen 1815 und 1835 gebauten Instrumente werden heute von vielen Restauratoren und Fortepianisten als Höhepunkt der Klavierbaukunst schlechthin angesehen. Graf verdankte seinen Ruf vor allem folgenden im Jahre 1836 formulierten Errungenschaften, die stets die Stärke, Deutlichkeit und Wandlungsfähigkeit des Tons sowie eine leichte Spielbarkeit betrafen: Nach einem vorübergehenden Versuch mit vierchörigen Instrumenten entwickelte er „Klaviere mit dreien, jedoch stärkeren Saiten für jede Taste, einer dieser stärkeren Besaitung entsprechenden Größe und Gestalt der Instrumente, und zweckmäßigen inneren Verbauung des Korpus; ferner mit einer früher nicht vorgekommenen Form und Belederungsart der Hammerköpfe, durch welche das Hervorbringen aller Nuancen und Schattirungen des Tones ohne Hilfe der Mutationen [=Pedale] möglich wurde, und endlich mit Stahlstiften auf den Stegen, welche den entstehenden Tönen einen eigenthümlichen Charakter ertheilten.“ Vergleicht man einen modernen Steinway-Flügel – in unseren Tagen qualitativ das Pendant zu einem Graf-Flügel – mit einem Produkt derselben Firma, das 20 oder 50 Jahre alt ist, so wird man feststellen, dass sich beide Instrumente kaum unterscheiden. Die fabrikmäßige Herstellung des modernen Flügels hat zu höchster Fertigungsqualität, aber auch zu nahezu vollständiger Uniformierung geführt. Zudem gab es in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum einen Reflex von der neuesten Klaviermusik auf den Instrumentenbau.

Zu Grafs Lebzeiten war dies völlig anders.
Das Wechselspiel zwischen Komponisten, Pianisten und Klavierbauern war intensiv und fruchtbar. Grafs Interesse an neuester Musik ist u.a. dadurch dokumentiert, dass er die Originalhandschrift von Beethovens Klaviersonate e-Moll op. 90 besaß. Als Graf mit dem Klavierbau begann, waren leicht gebaute Instrumente mit einem Tastenumfang von 5 (60 Töne) bis 5 ½ Oktaven, einem Dämpfermechanismus, den man mit einem Kniehebel bediente, und einem obertonreichen, aber vergleichsweise dünnen Klang der gängige Klaviertypus. 20 Jahre später waren die Instrumente wesentlich schwerer gebaut, hatten einen Tastenumfang von 6 oder 6 1/2 Oktaven (78 Töne), zwei, drei, vier, fünf, ja manchmal bis zu sechs Pedale, mittels derer es möglich war, den Klang zu verändern. Stärkere Saiten mit höherer Spannung setzten eine stabilere Rahmenkonstruktion voraus, ermöglichten aber einen wesentlich kräftigeren Klang, der im Zuge der Ausprägung eines bürgerlichen Konzertlebens gefragt war, um auch große Konzertsäle klanglich zu füllen. Hinzu kamen jene Anforderungen an das Klavier, das in Zeiten ohne Radio, CD und einer Fülle von Orchestern nicht zuletzt auch als Orchester- und Konzertersatz diente. Über Klavierauszüge wurden Opern, Symphonien und Oratorien der häuslichen Musikpflege erschlossen. Auf dem Klavier wurde also nicht nur die genuine Klaviermusik, sondern das gesamte zeitgenössische Repertoire gespielt.

Das für die vorliegende Einspielung verwendete Instrument aus dem Jahre 1824 verfügt über den großen Tonumfang und über vier Pedale: Die Verschiebung (due chorde, der Hammer schlägt nur zwei statt drei Saiten an, der Klang wird ausgedünnt), Fagott (ein gebogener Pergamentstreifen wird auf die Saiten im Bassbereich gedrückt, was einen schnarrenden Ton ergibt, als Instrumentalimitator für das Spiel von Orchestermusik aus Klavierauszügen sehr gefragt), Moderator (ein Filsstreifen wird zwischen Hammer und Saite geschoben und dämpft den Klang) und Dämpfung. Lediglich das letztgenannte Pedal hat beim modernen Instrument einen Effekt, der dem damaligen entspricht.

Michael Ladenburger, Bonn

Beschreibung des Instruments

Hammerflügel mit Prellzungen- (Wiener-) Mechanik und Stiefeldämpfung.
Tonumfang C1- f4.
Das Korpus Kirschbaum furniert, der Unterboden vollständig geschlossen, drei Säulenbeine mit schwarzen Kapitellringen, leicht nach hinten geschwungenes Pedalbrett mit 4 messing-überzogenen Pedalen.
Abmessungen ohne Deckel in mm: Länge: 2416 mm, Breite: 1231 mm, Höhe: 869 mm, Kastenhöhe: 311-315 mm.
Stichmaß: 478 mm c2 Länge: 272 mm
Untertasten: Knochenbelag, Obertasten: Birne mit Ebenholzfurnier.

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